Rumänien: Exorzismus

Exorzismus

 

 

 

Transsilvanien:
Satanische Mächte

Die Mächte des Himmels meinen es gut mit dem Popen von Cornesti. Jedenfalls scheint er mit irdischen Besitztümern recht üppig gesegnet. Die Gänse, die im Staub der Dorfstraße schnattern, gehören ihm. Die quiekenden Ferkel auch. Und der schmucke Mercedes-Transporter? „Alles seins. Die Schafe auf den Weiden, die Kühe in den Ställen, alles gehört ihm“, erzählen die Männer, die in Cornesti ihre Zeit totschlagen. Und sie haben viel Zeit. Von morgens bis abends sitzen sie am Rande des Dorfplatzes, ziehen sich die Selbstgedrehten rein und blicken stumm auf einen verwaisten Verkaufskiosk. An der ramponierten Blechbude blättert die rote Farbe ab, die Scheiben sind zerdeppert, und der weiße Schriftzug „Coca-Cola“ zeugt von dem misslungenen Versuch, ein wenig weite Welt in einen der hintersten Winkel Transsilvaniens zu bringen, in das 100-Seelen-Kaff Cornesti, in die Welt des Popen Pintea Gheorghe. „Er ist reich“, raunt der arbeitslose Marcu Lingurar, „sehr reich. Und weißt du weshalb?“ Nein. „Weil die Leute von weit her kommen und ihm ihr Geld geben.“ Und warum tun sie das? Marcu flüstert: „Sie glauben, er kann sie vom Teufel befreien.“

Die Kirche des Exorzisten Pintea Gheorghe liegt auf einem Hügel. Heimelig, wie hingemalt. Nur: wir dürfen nicht hinein. Denn Cora Sevianu, die Übersetzerin, trägt Bluejeans. Doch die sind für Frauen verboten. Außerdem fällt ihr Haar über ihre Schultern. Das ist auch verboten. Ebenso wie das Auftragen von Make-up und der Kirchgang während der weiblichen Periode. Gemäß einem Schild an dem schmiedeeisernen Tor zum Gotteshaus dürfen Frauen die Kirche nur mit langem Rock und mit Kopftuch betreten. Und die Männer? Sie dürfen nicht rauchen und nicht von einer Schnapsfahne umnebelt sein. Das Verbotsschild hat der rumänisch-orthodoxe Dorfpope Gheorghe aufgehängt, „um den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht zu verwischen und aus Respekt vor dem Herrgott“.

Wir treffen Gheorghe vor seinem Haus, ein gepflegtes, ein stattliches Anwesen. Der Mittvierziger wird von einem Gemeindemitglied gestützt. Seine Wirbelsäule hat einen üblen Knacks weg, und er kann ohne fremde Hilfe kaum gehen. „Ihr wollt also eine Exorzismusmesse besuchen“, sagt er mit bedächtiger Stimme, streicht über seinen ergrauten Bart und mustert uns lange aus hellwachen Augen. „Nun gut. Kommt am Sonntag um elf.“ Der zierlichen Cora gibt er noch den wohlmeinenden Rat: „Du brauchst keine Angst haben. Erschreck dich nicht, wenn die Dämonen aus den Frauen herausfahren.“

Etwa achtzig Gläubige, die meisten weiblich, sind angereist, um mit Pintea Gheorghe dem unseligen Wirken des Satan zu trotzen. Seit über vier Stunden predigt der Priester mit seinen Gehilfen gegen Kräfte an, die er für die Mächte des Bösen hält. Er betet zum Heiligen Vasile dem Großen, erbittet den Beistand vom Heiligen Johannes Goldenmund, erfleht die Hilfe Johannes des Täufers und der jungfräulichen Gottesmutter. Gheorghe segnet und salbt, schwört auf die Bibel und reckt sein goldenes Kruzifix gen Himmel. Messdiener versprenkeln geweihtes Wasser und nebeln das Kirchenschiff mit Weihrauch zu. Hin und wieder zerreißen merkwürdige Geräusche die Zeremonie, Würgelaute, Rülpser, kurze gellende Aufschreie, von denen niemand Notiz nimmt. Die dunklen Mächte melden sich, meint ein Hilfspriester und findet es an der Zeit, Fotoapparate, Objektive und Kameratasche einer Segnung mit heiligem Öl zu unterziehen. Dann verlässt der Exorzist den Altarraum. Die Gläubigen knien nieder. Pintea Gheorghe schreitet zwischen ihnen umher, in der Rechten ein hölzernes Kreuz. Plötzlich ist in der Kirche der Teufel los.

Eine junge Frau windet sich wie unter heftigen Zuckungen, kreischt und rauft sich die Haare. Manche Frauen rülpsen in dunklem Männerbass, andere grunzen wie Schweine und kriechen durch das Kirchenschiff. Als der Rocksaum des Priesters die junge Simona berührt, verzerrt sich das Gesicht des eben noch sanftmütigen Mädchens zu einer wütenden Grimasse. Sie wirft sich zu Boden, schlägt um sich. Drei, vier Männer stürzen sich auf die 28-jährige, die sich kaum bändigen lässt. Immer wieder presst ihr Gheorghe das Kreuz ins Gesicht. Simona brüllt sich die Lunge aus dem Leib, zornesrot vor Wut mit geballten Fäusten. „Nein, nein, nein!“ Sie reißt sich los, wird wieder von kräftigen Männerarmen gepackt, wird niedergedrückt. Gheorghe murmelt Litaneien herunter, lässt sich von einem Messdiener eine Plastikpulle mit Weihwasser reichen und kippt den Inhalt über der Frau aus. Simona schreit sich weiter an die Grenze ihrer Kraft. Irgendwann sackt sie in sich zusammen, ringt keuchend nach Atemluft. Minutenlang legt ihr der Pope die Hand aufs Haupt. Simona kommt langsam wieder zu sich. Sie lächelt. „Ich fühle mich erleichtert“, wird sie später sagen. „Etwas Böses war in mir, dass musste einfach raus. Das geweihte Wasser hat mich reingewaschen.“ Wovon? „Von irgend etwas Dunklem.“

Was dieses Etwas genau ist, da zuckt Simona mit den Schultern. Ihr fehlen die Worte. Sie findet keine Sprache, versteht nicht, was jeden Sonntag mit ihr in Cornesti geschieht. Genau wie die anderen Frauen. Immer wieder kommen sie zu Pintea Gheorghe. Letzten Sonntag waren sie hier, und auch am nächsten Sonntag wird die Kindergärtnerin Simona wieder mit ihren Freundinnen mit dem Bus von Cluj nach Aghires fahren, und die letzten zehn Kilometer zu Fuß zur Dämonenaustreibung nach Cornesti gehen.

So wie Veronica, über die der Dorfexorzist sagt, „ein Trinkdämon habe von ihr Besitz ergriffen.“ Die 40-jährige betäubt sich regelmäßig mit billigen Fusel. Immer wieder geschwängert von einem versoffenen und prügelnden Gatten kommt sie mit ihren heimlichen Abtreibungen nicht klar; oder die bildhübsche Lavinia, die einfach keinen guten Mann findet, weil sie glaubt auf ihr laste ein böser Fluch, seit sie den Liebeszauber wegwarf, den eine Schwarzmagierin ihr für viel Geld andrehte: eine Kapsel mit Pferdehaaren und Gänsedaunen. Oder die Lehrerin Irina, die tagsüber Kinder unterrichtet. Ob ihre Geschichte wahr ist oder ob Irina die Grenzen der Vernunft überschritten hat, ist schwer zu entscheiden.

Irina jedenfalls vertraut auf den Priester aus Cornesti. „Er wird mit der Kraft des Heiligen Geistes meinen Ehemann zurückholen“, hofft sie. „Schwierig, aber nicht unmöglich“, meint Exorzist Gheorghe. Er ist sich sicher: „Irina ist besessen von dem Dämon der Hoffnungslosigkeit und Verzweifelung. Bei ihr ist ein sehr, sehr machtvoller Hexenzauber im Spiel.“ Dass Irina von ihrem Ehemann verlassen wurde, ist an sich nichts Besonderes. Und dass er sie mit zwei Kindern zurückließ und zu seiner Geliebten zog, auch nicht. Doch die Nebenbuhlerin kam an den begehrten Mann nur deshalb heran, so Gheorghe, „weil sie ihn mit den Waffen des Bösen verhexte“. Und wie hat sie das gemacht? „Sie hat ihm ein paar Tropfen von ihrem Menstruationsblut und etwas Wasser, mit dem ein Toter gewaschen wurde, in den Kaffee geträufelt.“

In diese beklemmende Welt aus Aberglaube und Wahn geriet die Kindergärtnerin Simona erstmals vor fünf Jahren. „Ich war damals völlig verzweifelt“, sagt sie. Und wenn sie mit sanfter und warmherziger Stimme ihre Lebensgeschichte erzählt, dann braucht sie nur wenige Sätze, bis eine traurige Biografie aus Demütigung, Not und Schmerz aufscheint. Mit 18 geheiratet, mit 19 Mutter, vom jähzornigen Ehemann regelmäßig krankenhausreif geschlagen, mit 20 geschieden. Nach Jahren fand sie endlich ein neuen Lebensgefährten, einen fürsorglichen Vater für ihre Tochter. „Mein Freund war ein guter Mensch“, sagt sie. „Doch eines Tages kam er nicht mehr. Ganz unerwartet starb er an Herzversagen. Seitdem bin ich wieder allein.“

Simona verzweifelte an dem Verlust des Freundes, verkümmerte in Einsamkeit, lebte freudlos am Rande des Trübsinns. Bis sie von den sonntäglichen Messen des Pintea Gheorghe erfuhr. „Er macht die Menschen wieder gesund“, hatte ihr eine Bekannte erzählt und sie mit nach Cornesti geschleppt. Der Exorzist holte Simona heraus aus dem Alleinsein. Er nahm sie auf in den Kreis der reuigen Sünder. Für das Gefühl jedoch, zum Kreis der Gläubigen zu gehören, zahlen die Frauen einen sehr hohen Preis. Gheorghe stößt ihnen nicht nur sein Kruzifix ins Gesicht, er stößt sie auch zurück in eine düstere Vergangenheit. In der Vorstellungswelt des Mittelalters findet Gheorghe eine Sprache für unerfüllte Sehnsüchte, für den ungesättigten Hunger nach Zuneigung und Liebe. Der Teufel ist schuld. Der Diavol wurde für Simona zum Urheber ihres Unglücks. „In mir steckt ein mächtiger Dämon“, behauptet sie allen Ernstes, „deshalb muss ich beten und glauben und noch mehr beten und glauben.“

„Leider, leider“, klagt der katholische Priester Joszef Selymes, „wissen die Menschen viel zu wenig über den Teufel.“ Schuld daran tragen nach seiner Ansicht die Aufklärer, die Philosophen und Psychologen. Sie glauben nicht an die leibhaftige Existenz des Satans, sie haben den Teufel in die Mottenkiste gepackt und deuten das Böse bloß als die Schattenseite der menschlichen Freiheit. Deshalb laufen zum Leidwesen von Pfarrer Selymes zu viele bösartige Existenzen frei herum, verirrte Seelen, in denen der Teufel steckt. Verdächtige Indizien sind für ihn epileptische Zuckungen, unkontrollierte Hassattacken, Zerstörungswut oder ständiges Kopfschütteln bei gebeugtem Haupt verbunden mit unverständlicher Brabbelei. „Hinzukommen muss jedoch unbedingt“, darauf legt Jozsef Selymes äußersten Wert, „eine heftige Abwehrreaktion gegen alles Heilige.“ Gemeint sind Kruzifixe, die priesterliche Stola, Hostien und Weihwasser. Allein in der westrumänischen Provinz Bihor dürften nach grober Schätzung des 43-jährigen Gottesmannes „mehrere Hundert Besessene“ leben. Die würde Joszef Selymes gern exorzieren. Aber er darf es nicht. Sein Vorgesetzter hat es ihm verboten.

Als der Bischof der Diözese Oradea vor drei Jahren von dem übermäßigen Glaubenseifer seines Priesters erfuhr, zog er die Bremse. Joszef Selymes wurde aus disziplinarischen Gründen von der Großstadt Oradea in die Provinz nach Tasnad geschickt. „Ich musste gehen. Leider“, kommentiert er seine Zwangsversetzung. Klammheimlich, ohne die Erlaubnis des Bischofs Dämonen austreiben, dass will Pfarrer Selymes „auf gar keinen Fall. Das wäre ein schwerer Fall von Ungehorsam und der Satan käme geradewegs zu mir.“ Zu schaffen macht dem Priester nun, dass er mit seinen Kampfansagen gegen das Böse nicht mehr im Fernsehen auftreten darf. Das ist ihm kirchenamtlich untersagt. Und es ist ihm auch verboten, weiterhin Artikel für Zeitungen zu schreiben und im Rundfunk gegen den Satan zu predigen. „Wie sollen die Menschen nun über das Wirken des Teufels aufgeklärt werden“, fragt der verhinderte Exorzist. „Das ist doch gerade der Trick des Teufels. Er lässt die Menschen glauben, dass es ihn nicht gibt.“

Auf diesen diabolischen Schachzug fällt Bruder Cassian nicht herein. Jede Freitagnacht zelebriert der Mönch aus dem orthodoxen Kloster von Nicola eine Exorzismusmesse. Oft kommen über 200 Besucher. „Ich kenne Leute, die kämpfen seit Jahrzehnten gegen das Böse, doch die Dämonen wollen einfach nicht heraus“, glaubt Cassian zu wissen. Und warum sind die üblen Geister so hartnäckig? „Lies die Bibel. Bis zu 6000 Dämonen können in einer Seele wohnen. Schlägst du einem Teufel den Kopf ab, wächst ein neuer nach.“

Doch der Satan hat fromme Widersacher, in glaubensstrengen Klöstern in Transsilvanien, in Moldawien, der Walachei und in Valea Scradei. In dem weltfernen Dorf der nordrumänischen Maramuresch-Berge lebt der Preot Vasile Luţaj. „Unser Pope ist ein Heiliger, der sich um die Armen kümmert“, sagen seine Anhänger. „Er handelt nebenbei mit Gebrauchtwagen“, raunen seine Gegner. Der 48-jährigen Vasile Luţaj selbst bekundet, „einige tausend Sünder von den Ketten des Satans erlöst und zum Guten geführt zu haben“.

Es begann 1985. Da ereilte den Gottesmann eine Vision. Sieben Wochen, erzählt er, hatte er gebetet, gefastet und nicht mit seiner Frau geschlafen. „Da sah ich eines Tages einen großen hölzernen Rahmen. Aus ihm heraus trat eine bärtige Gestalt mit einem wehenden Gewand aus purpurner Seide. Es war Jesus selbst. Er lächelte mich an und segnete mich. Drei Mal.“ Danach wusste Luţaj: „Ich muss eine Kirche bauen.“ Und Vasile Luţaj baute eine schöne Holzkirche inmitten von Waldesruh, dem religionsfeindlichen rumänischen Ceausescu-Terror zum Trotz und gegen den Widerstand des düsteren Securitate-Geheimdienstes. Und als während der Einweihung seiner Kirche, just bei der Verwandlung des Brotes in den Leib des Herrn, eine weiße Taube so groß wie ein Truthahn vom Altar aufflatterte, war Luţaj klar, dass niemand anderes mit ihm war als der Heilige Geist. Nun, er selbst habe die Taube zwar nicht bemerkt, aber der 14-jährige Ciolpan Vasile habe ihm versichert, sie mit eigenen Augen und ganz genau gesehen zu haben.

Vasile Luţaj ist ein gebildeter Mann. In den Regalen des Pfarrhauses stapeln sich 6000 Bücher. Das unterscheidet ihn von den frommen Christen in Valea Scradei, die, so Luţaj, „niemals in ihrem Leben auch nur ein einziges Buch gelesen haben.“ Doch all die klugen Worte von Cicero, Horaz, Balzac und Jules Verne und selbst die Goethe-Gesamtausgabe bringen „keine echte Weisheit“ hervor. Die beginnt für Vasile Luţaj „allein mit der Furcht vor Gott“. Doch folgt man dem Preot mit dem durchdringenden Blick, so fürchten die Menschen den Schöpfer nicht mehr. Sie saufen sich um den Verstand, richten sich mit Drogen zugrunde, sind zerfressen von der Gier nach Macht und Geld. Sie vergiften die Flüsse und verpesten die Luft, schwören ewige Liebe und hassen abgrundtief, sobald die Leidenschaft der Gefühle schwindet. Sie lügen und betrügen, sie meucheln und morden. Doch muss man zum Verständnis von derlei Bösartigkeiten den Teufel bemühen?

„Ja“, sagt Luţaj. „Weil der Diavol den Menschen verführt, sich selbst zu schaden. Und ist der Mensch erst zum seelischen Krüppel geworden, dann hat der Satan leichtes Spiel.“ Wie bei jener Frau aus Valea Scradei, deren Geschichte so schlimm ist, dass sie „auf keinen Fall im Detail erzählt werden darf“. Nur so viel: Man fand die 40-jährige vor einigen Jahren in den Wäldern des Wassertals. Sie hatte sich aufgehängt. Kurz darauf ermordete ihr Sohn auf bestialische Weise einen ehemaligen Informanten des rumänischen Geheimdienstes aus Valea Scradei. Eine Familientragödie? Ein Fall für den Staatsanwalt? Oder für den Exorzisten? Preot Luţaj meint: „Die Frau hatte einen mächtigen Teufel genährt. Sie versteckte den Diavol in einem Glas in ihrer Küche und fütterte in jeden Tag mit Zucker. Als der Teufel zu groß wurde, brachte sie sich aus Verzweifelung um. Danach war der Teufel frei und fand Einlass in der Seele ihres Sohnes.“

„Wenn ich höre, was oben in der Kirche von Valea Scradei los ist, dann kriege ich heftige Bauchschmerzen“, sagt Magasz Jewö. Der Pfarrer der katholischen Gemeinde aus Viseu, eine halbe Autostunde von Valea entfernt, repräsentiert in den Maramuresch-Bergen die Stimme der Vernunft. Gegen den Rückfall in den Irrsinn des Aberglaubens. „Ich könnte mich natürlich auch auf die Kanzel stellen und von den ewigen Qualen im Höllenfeuer predigen. Wenn die Leute sich fürchten, habe ich sie im Griff. Das ist die pure Manipulation“. Dass manche Vertreter des rumänisch-orthodoxen Klerus die Angst vor ewiger Verdammnis schüren, hat für den 32-jährigen Katholiken allerdings ganz und gar unhimmlische Gründe. Es geht ums Geld. „Jede Messe, jedes Gebet, jede Segnung mit heiligem Öl, alles muss schließlich von den Gläubigen bezahlt werden“, ärgert sich Pfarrer Jewö. „So werden manche Popen richtig reich.“

Dass die Saat der Furcht auf fruchtbaren Boden fällt, hat für Jewö Gründe. „Die Menschen sind arm und entwurzelt.“ Aus dem Schattenreich des wahnhaften Diktators Ceausescu wurde Rumänien vor zwölf Jahren unvermittelt in die gnadenlose Welt des freien Marktes katapultiert. Die neue Freiheit entpuppte sich für viele Rumänen als der freie Fall von der Not ins Elend. Es gibt kaum Jobs, wenig Bildung, keine Zukunft. „Deshalb wird auch so viel getrunken. Übrig bleiben geprügelte Frauen, heraus kommen deformierte Kinder. Der Schnaps macht die Menschen hier kaputt“, sagt Magasz Jewö. „Und wer sein Leben nicht selbständig und eigenverantwortlich gestalten kann, erklärt sich sein Schicksal eben mit Hexen und Teufeln.“

Das tut Michail Bodmer nicht. Wie er immer wieder betont. Früher werkelte er im sozialistischen Möbelkombinat, heute läutet er als Messner in Viseu die Kirchenglocken. Er trägt ein T-Shirt mit dem verblichenen Aufdruck „Kennedy Space Centre“, raucht filterlose Carpati und bekundet in der Sakristei der katholischen Pfarrkirche, dass unter Ceausescu das Leben viel besser war. Gewiss, gesteht Bodmer zu, „war Ceausescu ein zweiter Dracula. Aber das war er nicht immer. Im Grunde seines Herzens war er gut.“ Und warum wurde er schlecht? „Es war seine Frau Elena. Seine Alte hat ihn verführt. Sie presste die Leute aus, war strohdoof und lüstern nach Macht.“ Michail Bodmer zündet sich eine neue Carpati an und flüstert: „Ganz sicher war sie voll von Dämonen.“

Was Michail Bodmer nicht daran hindert, sich die harte Ordnung der rumänischen Staatsdiktatur zurückzuwünschen. Wie er denken viele. „Im Kommunismus gab es nichts. Heute gibt es alles. Nur kaufen können wir nichts, wir haben kein Geld“. Zudem gab es damals keine Mafia, nicht so viele Verbrecher, Bettler und Betrunkene. Und nicht so viel Zank und Streit in den Familien. Derlei Zwietracht, so schätzt der Küster, muss nicht unbedingt eine Folge der sozialen Not sein sondern ist möglicherweise auch auf einen Mangel an Weihwasser in den Wohnstuben zurückzuführen. „Dann zieht der Teufel ein ins Haus, die Betten vibrieren und die Gläser zittern.“ Manche der Heimgesuchten landen dann in panischer Umnachtung in der Sakristei von Michail Bodmer, bereuen ihre Sünden und wollen beichten. „Die sehen Tote, wo keine sind, und behaupten mit verdrehten Augen, der Teufel sei ihnen erschienen. Aber meistens sie sind bloß sturzbetrunken.“ Playboy 12/2000