Offener Brief an den Rom eV.

Offener Brief an den Rom e.V. in Köln

(Der Brief wurde gekürzt abgedruckt in der Zeitschrift „Nevipe“, Nr. 3/2012)

Sehr geehrter Kurt Holl,
sehr geehrter Vorstand des Rom e.V.,
werte „Nevipe“-Redaktion,

Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich in Köln auf Ihre Einladung hin einen Diavortrag über die Roma in Europa gehalten und Ihrem Dokumentationsarchiv Fotografien aus meinem Fundus zur Verfügung gestellt habe, doch bin ich dem Rom e.V. seit den Zeiten in der Bobstraße immer solidarisch verbunden gewesen. Seit Jahren lese ich gern die „Nevipe“-Nachrichtenbriefe. Bis ich die „Besprechung“ des Buches „Shutka Shukar“ entdeckte. Einen solchen Text haben Sie meines Wissens noch nie publiziert.

Der Ton, den Dr. Ulrich F. Opfermann in die Debatte bringt, mag dem Rom e.V. gefallen. Mir gefällt er nicht. Für Sie mag das eine Frage des Geschmacks sein, für mich ist es eine Frage des respektablen Umgangs miteinander. Man kann die Arbeit von Tsiganologen wie von Professor Bernhard Streck und seinen Studenten selbstverständlich kritisieren, sie für misslungen halten oder auch ablehnen. Aber wie ein promovierter Akademiker sich derart blasiert an jungen Studenten auslässt, ist von armseliger Schäbigkeit. Herr Opfermann hat kein Buch besprochen. Er hat eine Publikation fast drei Jahre nach ihrem Erscheinen für eine Kriegserklärung missbraucht. Seine „Rezension“ verzerrt redliche Kollegen zu intellektuellen Feinden, die in ihrer Unzulänglichkeit im Grunde nicht einmal der Feindschaft würdig sind. Opfermanns Freude an der Demütigung springt den Leser regelrecht an. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals eine solch gehässige Buchkritik gelesen zu haben.

Nun wissen wir alle, dass es immer heikel ist, einer Ethnie kollektive Eigenarten zuzuschreiben oder abzusprechen. Dennoch, jeder, der die Roma ein wenig kennt, weiß, dass sie umgängliche Menschen sind. Zynismus und intellektueller Hochmut gehören sicher nicht zu ihren Eigenarten. „Von Zigeunerbildern zu realen Roma“, nennt Herr Opfermann seine Rezension. Nein! Dieser Text atmet nichts vom gewogenen Esprit real existierender Zigeuner. Wer so schreibt, hat nichts, aber auch rein gar nichts von jenen Menschen begriffen, als deren Fürsprecher er sich wähnt. Ich selbst war viele Male in Shutka. Ich versichere Ihnen, jeder Leipziger Student ist dem Leben der Roma dort näher gekommen als es Dr. Ulrich F. Opfermann je vergönnt sein wird. So wie er denkt kein Rom, so wie er fühlt kein Rom, weder in Shutka, noch sonst wo in Europa.

Ohne Frage, wenn Studenten die Fülle fremder Eindrücke reflektieren, mal mehr mal weniger gelungen, so haben sie sich der Kritik zu stellen, wenn sie ihre Erfahrungen veröffentlichen. Ulrich F. Opfermann jedoch zelebriert lediglich die eigene Eitelkeit und berauscht sich an seinem Sarkasmus. Sein sezierender Blick ist gnadenlos. Dieser Blick ist Zigeunern definitiv fremd. Mich stößt dieser Blick ab.

Deshalb kündige ich nicht den Roma, wohl aber Ihrer Redaktion, die solch vergifteten Rezensionen ein Forum bietet, meine Solidarität auf. Das ist kein weltbewegender Vorgang und hat für den Rom e.V. lediglich zur Folge, dass ich meine schwarzweißen Fotografien aus Ihrem Archiv zurück haben möchte. Bilder, die aus menschlichen Begegnungen heraus entstanden sind, sind unter der Obhut von Ulrich F. Opfermann nicht in guten Händen.

mit freundlichen Grüßen

Rolf Bauerdick